Allgäuer Zeitung, 31 July, 1999
Mit dem Laptop durch den Urwald
Der Wertacher Biologe Dr. Michael Schneider lebte fünf Jahre in Papua-Neuguinea
Von Stefan Binzer
Wertach "Das ist total spannend. Die
einzelnen Arten entwickeln richtige Kriegsstrategien um sich
anzupassen und zu überleben." Dr. Michael Schneiders Augen
leuchten, wenn er über den tropischen Regenwald in
Papua-Neuguinea spricht. Der Biologe aus Wertach verbrachte die
vergangenen fünf Jahre auf dem Inselstaat nördlich Australiens
und südlich des Äquators. Dort unterrichtete er Studenten der
Forstwirtschaft und erforschte die Insektenwelt des Eilandes.
Es sei ein Wettlauf gegen die Zeit, sinniert der 37jährige
Biologe, denn jeden Tag würden weltweit Hunderte von Arten in
der Tier- und Pflanzenwelt verschwinden. Andererseits gebe es
"noch unglaublich viele Pflanzen und Insekten, die nicht
erforscht sind", vor allem in den Tropen, wo alles wächst
wie im Treibhaus.
Reisen als Leidenschaft
Warum es ihn ausgerechnet nach Papua-Neuguinea verschlagen
hat? Antworten darauf hat der an den Universitäten Mainz und
Heidelberg ausgebildete Biologe mit dem Spezialgebiet Zoologie
mehrere parat: Zum einen sei der Arbeitsmarkt für
Wissenschaftler in Deutschland ziemlich gesättigt. Zum anderen
müsse man bereit sein, in seinem Fach "die Lücke" zu
finden. Und schließlich sei Reisen seine Leidenschaft. So hat er
früher schon eine ganze Weile in Afrika und auf der Insel
Madagaskar gelebt.
Sein Intermezzo in Papua-Neuguinea verdankt er einem Vertrag mit
dem Deutschen Entwicklungsdienst. Diese Organisation schickte
Schneider für fünf Jahre in die ehemals deutsche Kolonie
("Kaiser-Wilhelm-Land"). Dort unterrichtete er an der
Universität von Lae und unternahm mit den Studenten Exkursionen
in die Feldstation Bulolo. In der Nähe des Nationalparks
betreibt die Hochschule eine 100 000 Hektar große Forstplantage.
Abwehrstoffe von Pflanzen
Der "angewandte Entomologe" (Insektenkundler)
befaßte sich zum Beispiel mit der Schädlingsbekämpfung. Dabei
galt sein Augenmerk der Frage, welche Pflanzen Abwehrstoffe gegen
bestimmte Insekten entwickeln. Diese Stoffe herauszufiltern und
in biologische Insektizide zu verarbeiten, kann der
Forstwirtschaft nämlich enorm nützlich sein, ohne die
"Schädlinge" auszurotten.
Fasziniert war Schneider auch von Tieren, die sich perfekt an
ihre Umwelt angepaßt haben. "Da gibt es Schmetterlinge, die
sehen aus wie ein welkes Blatt oder wie ein Ast mit Dornen",
staunt der 37jährige noch jetzt über diese "Mimikri".
Seine Kenntnisse beispielsweise über den größten Schmetterling
der Welt, den Königin-Alexandra-Vogelflügler" mit 30
Zentimeter Spannweite, eignete sich der Biologe unter anderem
über die einheimische Bevölkerung an. Die Landessprache, das
neomelanesische Pidgin, beherrscht er nach fünf Jahren perfekt.
Ein Wissenschaftler des ausgehenden 20. Jahrhunderts rennt nun
nicht mehr mit Tropenhelm, Bleistift und Block durch den Urwald.
Zu Schneiders Arbeitsgerät zählt vielmehr ein modernes Laptop,
in dem er alle Informationen speichern und Bilder einscannen
kann. Auf diese Weise entstand in den vergangenen Jahren ein
Lehrbuch in Englisch für die Studenten der Forstwirtschaft auf
Papua-Neuguinea.
In dem tropischen Land hat Schneider auch seine Frau Phyllis
kennengelernt. Sie ging jetzt zusammen mit dem gemeinsamen
zweijährigen Sohn Bellamy-Herbert zurück in die Heimat ihres
Mannes, in die Pfeiffermühle bei Wertach. Hier arbeitet
Schneider an einem Katalog für Insekten in Neuguinea. 2500 Fotos
hat er für diesen Zweck bereits digitalisiert.
Seine Forschungsergebnisse sind übrigens auch im Internet
abrufbar unter
http://www.fzi.uni-freiburg.de/en/34.php.
Bereits neue Pläne
Noch ist die große Seekiste mit den Habseligkeiten der
Schneiders gar nicht in Deutschland angekommen, da schmiedet der
37jährige Weltenbummler schon wieder Pläne für die Zukunft.
Denn wenn seine Arbeit zu Hause in Wertach am Computer über die
Insekten in Neuguinea abgeschlossen ist, "dann beginnt die
Suche nach was Neuem."
Fit genug für weitere Abenteuer fühlt er sich, obwohl er
während seiner Aufenthalte in Afrika öfter Malaria gehabt hat.
"Man lernt damit umzugehen", lautet seine verblüffend
sachliche Einschätzung Diese Anpassungsfähigkeit hat er
offensichtlich von seinen Forschungsobjekten, den tropischen
Insekten, abgeschaut.
Der Wertacher Dr. Michael Schneider mit, einigen seiner
tropischen Forschungs-
objekten: äußerst farbenprächtige Schmetterlinge aus
Papua-Neuguinea.
Foto: Stefan Binzer
© Michael Schneider, 2006